Zu den schönsten Geschenken des Lebens gehört ein Freund, mit dem man alles besprechen kann, was einem irgendwie bewegt oder belastet. Sozusagen eine permanente gegenseitige Psychotherapie. Und das waren – ein halbes Jahrhundert hindurch – unsere regelmäßigen wöchentlichen Wanderungen.
Harald Rohracher
Erhard Oeser
Rupert und mich verbanden bei unserer ersten Begegnung nicht so sehr philosophische Fragestellungen oder der Zufall, weil unsere Institute im gemeinsamen kargen Verfügungsbau der Universität Wien untergebracht waren, sondern eine gemeinsame Vorliebe für Jules Verne, die über alle akademischen Diskussionen hinweg zu einer langjährigen Freundschaft führte. Bei ihm war es die Reise unter dem Meer, bei mir die Reise zum Mond, die uns dann in unserer Fantasie über die manchmal öden Dienstverpflichtungen eines Professorendaseins hinweghalfen. Der Stahlstich, der Kapitän Nemo mit seinen Getreuen im Korallenriff wandernd zeigt (Abb.1), begleitete, auf Türformat vergrößert, stets den Zugang zu Ruperts wechselndem Professorenzimmern. Und ich sah in der Vivion Jules Vernes einer Mondlandung ein Beispiel für die produktive Fantasie des Menschenhirns ohne die es keinen Fortschritt der Wissenschaft geben kann (Abb.2).
Hinzu kam noch für uns beide Jules Vernes “Reise zum Mittelpunkt der Erde”, die Rupert, wie er selbst sagte, eine Höhlenwelt eröffnete und mich auf das Abenteuer einer im Rahmen der ESC (European Seismological Commission) entwickelten Darstellung der Geschichte der Historischen Erdbebentheorien einließ, die mich jahrelang beschäftigte.
Was nun die Evolutionäre Erkenntnistheorie betrifft, so gab es natürlich auch da große Gemeinsamkeiten. Hatte mir doch Rupert von allen Anfang an wegen meiner Absicht, auf dem Lehrstuhl für Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften das philosophische Programm Machs und Boltzmanns fortzusetzen, zugestanden, dass ich “dem evolutiven Ansatz ja selbt schon nahe gekommen war”.
Fasziniert hat mich jedoch, der ich mich anfangs mehr mit der Geschichte der Physik und Astronomie beschäftigt hatte als mit der Geschichte der Biologie, dass nicht nur Mach und Boltzmann in ihren erkenntnistheoretischen Vorstellungen biologisch dachten, sondern auch Einstein ein quasizirkuläres erkenntistheoretisches Modell entwarf, das einen ausgesprochen evolutionären Charakter hat, wenn er sagt, dass bereits die einfachste empirische Begriffsbildung “eine freie Schöpfung des menschlichen oder des tierischen Geistes” sei, aber immer auch in den abstraktesten Formen wissenschaftlicher Axiome auf die Ebene der Sinneserlebnisse zurückgeführt werden muss.
Dieser Kreislauf, der schon in der risolutiven und compositiven Methode Galileis einen Vorläufer hatte, und den ich mir zu eigen machte, hatte mit dem völlig unabhängig davon entwickelten systemtheoretisch-evolutionären Erkenntismodell Ruperts so große Ähnlichkeit, das damit im Grunde nur das gleiche gemeint sein konnte.
Aus dieser von vornherein, um nicht zusagen “apriori” vorhandenen Übereinstimmung, entwickelte sich dann, als mich Rupert zu Konrad Lorenz nach Altenberg mitnahm, ein Diskussionskreis aus Freunden Schülern und Gästen, aus dem dann nach dem Tode von Konrad auf Initiative Ruperts das KLI entstand.